
Im Jahr 1054 berichteten chinesische Astronomen von einem neuen Stern, der auch tagsüber sichtbar war, nach einiger Zeit jedoch wieder verschwand. Das Himmelsphänomen wurde auch von einem flandrischen Mönch und weiteren Beobachtern in Europa und Asien beschrieben und taucht auch in Felszeichnungen nordamerikanischer Ureinwohner*innen auf. Knapp 900 Jahre später führte der Astronom Edwin Hubble den Krebsnebel, eine riesige Staub- und Gaswolke im Sternbild Stier, auf eine gewaltige Sternenexplosion zurück, deren Licht die Erde 1054 erreicht hatte und als neuer Stern interpretiert wurde: Eine Supernova. Supernovae entstehen am Ende der Lebenszeit sehr großer Sterne, wenn in ihrem Zentrum der Kernbrennstoff Wasserstoff verbraucht ist. Dadurch wird der nach außen gerichtete Strahlungsdruck immer geringer, bis schließlich der Stern unter seiner eigenen Gravitation kollabiert. In der Folge wird die Materie im Inneren extrem verdichtet – bis auf die Dichte von Atomkernen – und reflektiert die Druckwelle, sodass ein Großteil der Sternenmaterie weggesprengt wird – so entstand der Krebsnebel, der sich bis heute mit einer Geschwindigkeit von 1500 Kilometern pro Sekunde ausdehnt.
In seinem Zentrum blieb ein Neutronenstern zurück, ein extrem dichtes Objekt von etwa 30 Kilometern Durchmesser, in dem etwas mehr als eine Sonnenmasse unvorstellbar stark zusammengepresst ist: Ein Würfel Neutronensternmasse mit einem Zentimeter Kantenlänge würde auf der Erde 100 Millionen Tonnen wiegen. Ist der Ursprungsstern extrem groß und hat mehr als 40 Sonnenmassen, entsteht nach dem Ausbrennen ein Schwarzes Loch. In seiner unmittelbaren Umgebung erzeugt ein Schwarzes Loch eine so starke Gravitation, dass jenseits des Ereignishorizonts nicht einmal Licht herausgelangt.
Es sind diese extremen Materiezustände, die Neutronensterne und Schwarze Löcher für die Wissenschaftler*innen von ELEMENTS so interessant machen. Kollidieren etwa zwei Neutronensterne miteinander, wird ihre Materie möglicherweise so verdichtet, dass die Neutronen im Inneren in ihre elementaren Bestandteile Quarks und Gluonen aufgelöst sind. Ein ähnliches Quark-Gluon-Plasma hat es Sekundenbruchteile nach dem Urknall gegeben, und als sich das expandierende Weltall abkühlte, schlossen sich Quarks und Gluonen zu Protonen und Neutronen und die wiederum zu Atomkernen und Atomen zusammen – zu der Materieform also, aus denen Planeten und Sterne heute überwiegend bestehen.
Die ELEMENTS-Wissenschaftler*innen erforschen unter anderem solche Phasenübergänge von Materie, denn die könnten etwas darüber verraten, warum – außerhalb von Quark-Gluon-Plasmen – Quarks immer nur in Pärchen oder Gruppen, nie aber alleine auftreten. Daher versuchen die Wissenschaftler*innen im Labormaßstab, für Sekundenbruchteile Quark-Gluon-Plasmen zu erzeugen. Sie nutzen dafür Teilchenbeschleuniger und lassen dort Atomkerne beziehungsweise Ionen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit mit anderen Atomen kollidieren.
Astrophysikalische Beobachtungen werden die experimentellen Beobachtungen ergänzen. Im Jahr 2017 wurden an den LIGO- und Virgo-Detektoren erstmals Gravitationswellen gemessen, die durch nahezu gleichzeitige Aufzeichnung eines Gammastrahlblitzes und spätere Beobachtung durch optische Teleskope als Neutronensternkollision identifiziert werden konnten. Auch solche Kollisionen enden in großen Explosionen, die als Kilonovae bezeichnet werden und ebenfalls große Materiemengen ins Weltall schleudern. Diese enthalten auch schwere Elemente wie etwa Gold, Platin oder Uran, die nach derzeitigem Erkenntnisstand ausschließlich in derartigen kosmischen Explosionen in der Natur entstehen können und die die optisch beobachtbaren Signale entscheidend prägen. Andererseits lässt sich aus den Gravitationswellen solcher Kilonovae nicht nur etwas über Gravitation lernen, sondern auch über das Verhalten von Materie unter derartig extremen Bedingungen. Mit theoretischen Modellierungen an Supercomputern wollen die ELEMENTS-Wissenschaftler*innen Muster in Gravitationswellen voraussagen, die z.B. auf Temperatur und Dichte in kollidierenden Systemen, auch z. B. eines Neutronensterns mit einem Schwarzen Loch, schließen lassen.
„Am Beispiel der Gravitationswellen wird klar, wie gewaltige kosmische Ereignisse mit dem Verhalten und den Eigenschaften der kleinsten Elementarteilchen zusammenhängen: Es gelten dieselben physikalischen Gesetze, und so können wir im ELEMENTS-Cluster vom Mikrokosmos für den Makrokosmos lernen und umgekehrt.“
ELEMENTS-Sprecher Prof. Luciano Rezzolla
Bei ELEMENTS fließen theoretische, astrophysikalische und experimentelle Daten zusammen, die die Entstehung schwerer Elemente aufklären sollen. Der Urknall brachte die leichten Elemente Wasserstoff und Helium hervor, und durch Kernfusion werden in Sternen alle Elemente bis hinauf zu Eisen gebildet. Alle schwereren Elemente wie Gold, Platin oder Uran entstanden und entstehen erst bei kosmischen Großereignissen wie Neutronensternkollisionen durch einen Zyklus von schnellem Einfang von Neutronen und Kernspaltungsreaktionen. Spaltungs- und Einfangreaktionen wollen die ELEMENTS-Wissenschaftler*innen künftig in der neuen Beschleunigeranlage FAIR und dem Elektronenbeschleuniger S-DALINAC an der TU Darmstadt erzeugen und untersuchen.
„Mit FAIR und am S-DALINAC wollen wir die Entstehung der schweren Elemente im Kosmos besser verstehen und unser Wissen über die Starke Kraft erweitern, die die Atomkerne und Protonen und Neutronen zusammenhält. Im ELEMENTS-Cluster werden wir unser Verständnis zum Ursprung von Materie im Universum auf ein neues Niveau heben.“
ELEMENTS-Sprecher Prof. Norbert Pietralla
Dieser leicht geänderte Beitrag stammt im Original von Dr. Markus Bernards und ist ursprünglich im UniReport der Goethe Universität erschienen.